Donnerstag, 20. März 2008

Interview mit Karl Bartos

Kurz vor dem Konzertbeginn und nach dem Soundcheck fanden wir doch noch die Gelegenheit Karl Bartos ein paar Fragen zu stellen. Zwischen all der stresslosen, beweglichen Stimmung, suchten wir uns den stillsten Platz aus und ohne den Moment realisieren zu können, mit (für uns) einer der wichtigsten Musikern ein Interview zu führen, fingen wir gleich mit der ersten Frage an.

snag : In den Interviews mit aktuellen Bands, sei es die Richtung Elektronik, Industrial, EBM, sogar Gothic, liest man, dass Kraftwerk einen grossen Einfluss auf deren Musik hat. Wovon oder von welchem Musiker waren Sie denn damals beeinflusst?

KB : Ich bin ja geboren in den 50er Jahren und bin in den 60er Jahren gross geworden. Da haben die Beatles den World-Sound aus Amerika von Chuck Berry usw übersetzt, für uns Europäer. Damit sind wir gross geworden. Die ganze Gesellschaft hat sich sehr verändert. Es hat so was stattgefunden, dass man gegenüber seinen Eltern eine eigene Meinung bringen konnte, aufgrund der ganzen Jugendbewegung. Klingt heute für die Jugendlichen alles selbstverständlich, aber das alles musste irgendwann nach dem Krieg mal anfangen. Das hat genau in den 60er Jahren stattgefunden. Und der Träger dieser ganzen Bewegung war die Musik.

snag : Heutzutage beschäftigen sich die Bandmitglieder als Anfänger nicht nur mit deren Musik und haben nebenher noch einen anderen Beruf, wegen der finanziellen Lage. War das damals bei Ihnen am Anfang auch so?

KB : Ich hatte den Plan mit Musik mein ganzes Leben lang Geld zu verdienen, dass ich auch davon leben konnte. So habe ich Musik studiert. Ich wollte Musik unterrichten. Wollte es erst mal lernen und Teil des Musikbetriebs werden. So habe ich mein Musikstudium abgeschlossen und danach Musik unterrichtet. Jetzt habe ich den Job als Professor an der Uni der Künste in Berlin im Studiengang Sound Studies..

snag : .. für das Fach Akustische Kommunikation..

KB : Woher wissen Sie das?

snag : Haben wir geforscht..

KB : Im Internet.. Das ist eine unglaublich interessante Aufgabe jetzt. Fängt im Herbst an, im April beginnen die ersten Aufnahmeprüfungen und Anmeldungen. Da wollen wir mal schauen wer da kommt.

snag : Akustische Kommunikation. Hat ?Communication? einen Zusammenhang mit dem Namen des Studiengangs?

KB : Das war irgendwie zeitgleich, ganz interessant. Als ich dann eingeladen wurde an die Universität meine ersten Vorträge zu halten, kam der Name einfach so; war nicht geplant.

snag : Während in Deutschland damals die strenge, elektronische Richtung mit den industriellen Klängen entstand, fing in England, bzw. Manchester, die düstere Richtung mit depressiven Songtexten..

KB : Joy Division

snag : Genau... mit chaotischen Gitarrenklängen und verstecktem Schlagzeug. Wie haben Sie dasS damals gesehen, wie fanden Sie die Entstehung des Madchesters?

KB : Die Punkbewegung hatte ja schon einen Sinn. So haben wir das auch wahrgenommen. Die anderen Musikrichtungen hat man zwar informationsmässig erlebt und auch registriert, aber wir waren im ganz anderen Planeten im Studio und beschäftigten uns mit der auditiven Mediengestaltung, mit dem Konzept der elektro-akustischen Musik. Da hatten wir uns mehr für uns selbst interessiert, für unsere Musik und dies war eigentlich eine Art Electronic-Life-Style.

snag : Kannten Sie Bernard Summer und Johnny Marr schon damals oder kam das später mit dem Electronic-Projekt?

KB : Nein, sie haben mich angesprochen, das war 1993-94. Da hatten wir telefoniert und sie haben mich besucht in meinem damaligen Studio in Düsseldorf. Wir haben uns supergut verstanden und Zeit miteinander verbracht. Dann bin ich fast für 2 Jahre immer wieder nach Manchester geflogen um mit Bernard zu arbeiten.

snag : Die Hacienda- Stimmung..

KB : Hacienda, ja.. war ich auch..

snag : Im Film 24 Hour Party People wurde viel davon und über die Entstehung von Joy Division erzählt..

KB : Da wird jetzt ein Film von Dandy Warhols gedreht und da soll ich auch mitspielen aber das interessiert mich Null.. Was mich wirklich interessiert, im Zusammenhang mit Film, ist der Sounddesign, das heisst akustische Kommunikation, in dem Sinne wie man mit Geräuschen einen Film machen kann. Mich interessiert Klanganthropologie, was Klang für uns Menschen bedeutet, wie wir die Welt über die Ohren wahrnehmen. Der primäre Sinn für uns sind die Augen. Wir nehmen die Welt über die Augen wahr. Jedes visuelle Signal hat absolute Priorität. Der Geruch -und Gehörsinn ist ein zweiter Sinn; ein zweitklassiger Sinn möchte ich nicht sagen, aber er hat nicht diese Priorität. Das hat viel weniger an messbaren Werten, die unser Bewusstsein erreichen, als das was wir über die Augen wahrnehmen. Und das sind Dinge, die mich interessieren.

snag : Und darum gehts auch im Studiengang..

KB : Genau darum gehts im Studiengang. Immer mehr Unternehmen und Kommunikationsabteilungen der grossen Firmen stellen fest aufgrund der vermehrten Entwicklungen im auditiven Mediendesign, also in den neuen Medien; im Fernsehen, im Mobil Telefon. Überall spielt Sound eine grosse Bedeutung der jetzigen Kultur. Die Universität der Künste in Berlin hat eben diesen Studiengang Sound Studies in die Welt gerufen um dem Rechnung zu tragen. Wir wollen eben die Leute ausbilden zu Klangberaterinnen und Klangberatern, zu Klangdesignern und Klanggestaltern, die uns teilweise aus der Anthropologie und aus der Klangpsychologie, Psychoakustik Erkenntnisse bringen, um ein Fundament einer Ausbildung zu geben.

snag : Mit welcher Farbe würden Sie Ihre Musik definieren.

KB : Kann man schlecht definieren. Es sind ja auch die Frequenzen, die Töne und Geräusche, die ein ganzes Spektrum beinhalten. Wenn man alles zusammenbringt, durch ein Prisma scheinen lässt, entwickelt sich die Farbe, die alle Farben beinhaltet : Ultraviolett. Und der Klang ist das weisse Rauschen.

snag : Sehen Sie sich als Musikarchitekt oder eher als Musikingenieur?

KB : Was mich einerseits an der Musik so fasziniert : Worte erklären ja die Welt und stellen die Welt dar. Musik macht das nicht. Musik stellt die Welt nicht dar, Musik ist nichts. Ein Akkord bedeutet nichts, eine Melodie erhebt keinen Sinn. Es ist einfach nur Mathematik. Physikalische Schwimmungen funktionieren in einer Matrix für analogische Gesetzmässigkeit. Aber wie durch ein Wunder wird durch akustische Schwingungen, Gefühle.

snag : Stundenlang kann man Ihnen zuhören, wie Sie die Musik wahrnehmen. Kann mir die Gesichtsausdrücke der Studenten an Ihren Vorträgen vorstellen. (Noch 1 Stunde bis zum Konzertbeginn). Wir freuen uns, Ihnen und Ihrem Team bald zuhören zu dürfen und wünschen Ihnen viel Spass auf der Bühne. (Dies hatte er.)

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